Schlagwort: Abhängigkeit

Altersarmut

Alter in Armut

Mein Leben lang gearbeitet, geschuftet
Aufgeopfert für die Firma
Für einen Hungerlohn
Konnte kaum
Die Familie ernähren
Nie verzagt
Immer weitergebuckelt
Nun sind die Kinder
Aus dem Haus
Haben ihr eigenes Leben
Die Frau starb an Krebs
Nun, mit 75 Jahren
Sitze ich im Rollstuhl
Blicke auf mein Leben zurück
Aus meinem kleinen
Kargen Zimmer
In das ich geschoben wurde
In ein Heim
Das ich mir nicht aussuchen konnte
Weil das Geld fehlt
Ein Leben für die Familie
Immer nur gespart
Um den Kindern
Wünsche zu erfüllen
Ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen
Meiner Frau konnte ich nichts bieten
Das bißchen, was wir hatten
Bekamen die Kinder
Sie haben nun ihr eigenes Leben
Da ist für mich kein Platz
Was sollen sie auch
Mit einem alten, kranken Mann anfangen?
Mit den Enkeln kann ich nicht spielen
In meinem Rollstuhl
Vor meiner Sauerstoffmaske
Haben sie Angst
Das kann ich verstehen
Ich will ihnen ja auch nicht
Zur Last fallen
So lebt jeder sein Leben
Meines gab es nicht.
Copyrights Sabine Adameit

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Die zwei Gesichter

 

Sind das die liebenden Hände, die sie kennt? Wie kann so etwas möglich sein. In der letzten Nacht waren sie zärtlich. Tasteten sich an den Schultern den Rücken entlang zu den Stellen, die ihr soviel Lust zu geben vermochten. Sanfte Worte flüsterte er dabei. Ein wunderschönes warmes Gefühl der Geborgenheit durchfloss sie. „Ich liebe dich“, hauchte er.

Kalt sind seine Augen und hart. Der Schlag hat gesessen. Durch die Wucht wird sie gegen die Heizungsrippe geschleudert. „Du bist der letzte Dreck! Dich sollte man an den Haaren hinter einem Auto herziehen.“
Zitternd kauerte sie an der warmen Heizung. Ihr fehlen die Worte.
Blut rinnt am Ohr herunter. Von der folgenden Ohrfeige reißt ihre Lippe auf. Die nächste traf das Auge.

Der Vortrag, den er auf der Vernissage hielt, wurde stürmisch beklatscht. Seine intelligente und differenzierte Herangehensweise an die Technik des Malers und seiner Vita begeisterte das Publikum.
„So ein sensibler Mann, Sie können sich glücklich schätzen“. ‚Wenn ihr wüsstest‘, dachte sie bei sich. Laut sagte sie: „Ja, er hat sich sehr lange auf diese Ausstellung vorbereitet. Ich habe ihn Tage nicht gesehen, weil er sich in den Bibliotheken vergraben hatte“. Am Morgen noch waren sie gemeinsam Make-Up kaufen gegangen, um die blauen Flecke im Gesicht zu kaschieren. Sie war mittlerweile eine perfekte Maskenbildnerin geworden. Es war so gut wie nichts mehr zu sehen von der letzten Nacht. Zärtlich sah er sie an und prostete ihr mit einem Glas Champagner zu. Die sehnsüchtigen Blicke der Damen wandten sich enttäuscht ab. Sie hätten gerne mit ihr getauscht. Sie kannten nur ein Gesicht von ihm. Das andere kannte nur sie.

© Sabine Adameit

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