Schlagwort: Verzweiflung (Seite 4 von 4)

Ein ungebetener Gast

See you in paradise

Er schleicht sich ein,
Ohne anzuklopfen.
Steht er plötzlich da,
Macht sich breit,
Schweigend. Ist er
Bedrohlich oder freundlich,
Beängstigend oder erlösend?
Er nimmt sich Zeit,
Spielt mit Hoffen und Bangen,
Angst und Hilflosigkeit,
Mit Lebenswillen und Schwäche.
Soll ich mich anfreunden
Mit dem Erlöser
Oder mich wehren
Gegen sein Erscheinen?
Nehme ich ihn an
Oder wehre ich mich gegen ihn?
Versuche, ihm zu entreißen,
Was er sich holen will?
Mein Flehen, meine Tränen
Beeindrucken ihn nicht.
Er ist unerbittlich.
Er läßt sich nichts anbieten.
Ich kann ihn nicht überreden,
Seinen Entschluss zu ändern.
Ich sehe ihn nicht,
Ich spüre ihn.
Er ist in allen Räumen.
So plötzlich,
Immer unerwartet.
Es ist so kalt,
Wenn er in meiner Nähe ist.
Er bringt Trauer, Verzweiflung,
Aber auch Frieden,
Doch er bleibt ein ungebetener Gast…
Der Tod.
Copyrights Sabine Adameit

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Wach auf !

Mercy

Zerstörung

Wie jeden Morgen hat er es eilig. Ein Kaffee im Stehen, den Toast im Gehen. Ein flüchtiger Kuss, er muss seinen Sohn noch ins Internat bringen. Ein wichtiges Geschäft wartet auf seinen Abschluss. Die Kollegen warten schon, die Verhandlungen können beginnen. Ein feudales Mittagessen wird die Vertragskonditionen schmackhaft machen. Schnell bringt er danach noch seine Kleine zum Reitkursus. Wenn es klappt, wird er ihr das heißersehnte Pferd kaufen. Schmunzelnd überfliegt er den Artikel aus „Die Zeit“: „Die Ausfuhren von Rüstungsgütern steigen weiter an. Im ersten Halbjahr waren sie 500 Millionen Euro teurer als im Vorjahreszeitraum. 2015 gab es bereits eine Verdopplung.“

Die Anwälte geben grünes Licht. Es wird eine lange Nacht. Die Kunden wollen sich amüsieren. Es endet, wie so oft, in dem bekannten Edelbordell. Welch ein Erfolg! Ein Milliardengeschäft ist unter Dach und Fach. Er ist sehr stolz auf sich. Er beherrscht sein Metier, wie kaum ein anderer.

Er hält sein brüllendes Kind im Arm. Er rennt um sein Leben. Um ihn herum ein infernalisches Getöse. Die Einschläge scheinen ihn zu verfolgen. Die Hitze und der Qualm sind unerträglich. Sein Haus ist zerstört. Seine Frau und seine Söhne wurden verschüttet. Keine Hoffnung, dass sie noch am Leben sind. Er kann ihnen nicht mehr helfen. Jetzt geht es nur noch um die Kleine. Die Granatsplitter haben den Arm seiner Tochter zerschmettert. Er hat sie aus den Trümmern gezogen. Sie lag weinend neben ihrem in tausend Stücke zersplitterten Holzpferdchen, das er ihr geschnitzt hatte. Mit ihren drei Jahren schreit sie sich die Seele aus dem Leib, vor Angst und Schmerzen, bis sie bewusstlos wird.

Wach auf, du darfst nicht einschlafen! Wach auf, mein Kind!

Copyrights Sabine Adameit

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Ich halte das nicht mehr aus

Terror II

Terror

Redaktionen werden überfallen Menschen gelyncht
Hotelgäste werden in ihrem Urlaubsort erschossen
Harmloses Feuerwerk in Nizza wird zum Massaker
Kinder werden im Namen einer wirren
missverstandenen Religion massenweise entführt
Norwegen ist im Schockzustand
weil ein Verrückter Jugendliche auf einer Insel niedermetzelt
Obdachlose werden zu Tode getrampelt
Flüchtlingsheime brennen
Nazis bevölkern wieder lauthals die Straßen
Türken bejubeln einen Diktator
USA wählt einen Psycho zum Präsidentschaftskandidaten
Nach Solidarność nun ein starker Rechtsruck in Polen
Österreich noch rechter denn je
Putin macht aus Russland eine Monarchie
England wählt den Brexit
und einen rechtsradikalen Außenminister
EU schließt die Grenzen
Ich halte das alles nicht mehr aus
Ich verzweifle
Was macht ihr aus dieser schönen Welt?
©S.Adameit

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Die letzte Station

 

Es ist Nacht. Die Stadt schläft. Nur die Lichter am Bahnhof lassen noch Leben erahnen.

Er sitzt in seiner Wohnung, neben sich eine Flasche Whisky. Er leert das letzte Glas. Er trinkt alleine. Er hat keine wirklichen Freunde. Klar, wenn man in der Gruppe ist, macht er mit, lacht und albert mit, aber er fühlt sich alleine. Bea hat mit ihm Schluss gemacht. Hobi ist ja auch viel interessanter. Der hat zu allem den richtigen Spruch drauf. Immer gut drauf und immer der Anführer, wenn es um Blödsinn machen geht. Er beneidet solche Menschen. Wie machen die das bloß? Warum kann er nicht so sein? Gute Sprüche fallen ihm immer erst viel später ein, wenn er alleine auf seiner Bude ist. Dass Bea überhaupt mit ihm zusammen war, hatte ihn sehr gewundert. An ihm ist doch nichts dran. Er sieht nicht gut aus, er ist nicht lustig und besondere Fähigkeiten hat er auch nicht. Er ist eben ein Langweiler. Ja, er schreibt seine heimlichen Gedanken auf, aber die hat er ihr noch nie preisgegeben. Wer will das schon hören? Traurige Gedanken, hoffnungslose Gedanken.

Er steht auf, leicht torkelnd nimmt er die Jacke vom Haken. Er muss hier raus, die Decke fällt ihm auf den Kopf. Er muss keine Rücksicht nehmen, seine Eltern kriegen sowieso nicht mit, wenn er mitten in der Nacht geht. Reden kann er schon lange nicht mehr mit ihnen. Sie fragen und fragen, wo soll er die ganzen Antworten hernehmen. Warum gibst du dir nicht mehr Mühe? Sie geben ungefragte Ratschläge. Wenn du mal Hausaufgaben machen würdest, hättest du auch bessere Zensuren! Immer dieselbe Leier. Es ist alles nur noch trostlos. Wozu soll er sich denn Mühe geben? Für wen? Für was? Bringt doch eh nichts.

Die Tür fällt ins Schloss. Ein rauher Wind weht, aber es ist nicht wirklich kalt. Ziellos setzt er einen Schritt vor den anderen. Ist doch egal wohin. Hauptsache weg. Am Bahnhofskiosk holt er sich noch eine Wodkaflasche. Mit gesenktem Kopf schwankt er über die Straße, kein Auto weit und breit zu sehen. Die Stadt ist menschenleer. Spärliche Lichter im Park, er setzt sich auf eine Bank. Nur das laute Pfeifen der Züge ist zu hören. Das monotone Rattern auf den Gleisen. Langsam erhebt er sich. Mechanisch zieht es ihn zu den Geräuschen. Er nimmt noch einen großen Schluck. Das Pfeifen kommt näher. Er fühlt den rauhen Wind nicht mehr. Er fühlt gar nichts mehr.

Die Bremsen quietschen laut, die Räder sprühen Funken. Keine Chance – der Bremsweg ist zu lang. Der Lokführer sieht von weitem etwas auf den Schienen. Im Zeitlupentempo kommt es näher. Verzweifelt versucht er den Zug zum Stehen zu bekommen. Nein, es ist kein Tier, es war ein Mensch…

© Sabine Koss

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